Weblog.

Freitag, 27.01.2012, 11:20:44

Matthias Faldbakken: SUCHE

Kurzrezension

Im Vorfeld der diesjährigen dOCUMENTA (13) erscheint im Hatje Cantz Verlag eine Serie von Notizbüchern mit dem Titel 100 Notizen – 100 Gedanken. Eines davon stammt von Autor und Künstler Matias Faldbakken, der für SUCHE die Protokolle seiner verschiedenen Festplatten verwendete und einen Teil der Verläufe seiner Google-Recherchen extrahierte. Verlagsseitig wird das zur konkreten Poesie einer écriture automatique geadelt, die es den Leser_innen ermögliche, einen Teil von Faldbakkens Arbeitsprozess mitzuerleben. Faldbakken selbst findet für diese Arbeitweise weniger euphemistische Worte: »Meine Texte sind mit einer Tonne vergleichbar, in der ich den ganzen Müll an Ideen ablegen kann.« (Faldbakken 2009: 130) Das heißt vielleicht, dass Faldbakkens bisher erschienene Romane aus der Mülltonne kommen, aber keinesfalls, dass sie auch für selbige geschrieben sind. Auch wenn deren gesellschaftskritische Intentionen streckenweise hinter sehr unterhaltsamen Effekten zurücktreten, sind The Cocka Hola Company, Macht und Rebel und Unfun mehr als nur »Sammlungen von kleinen Ideen, die ich dann zusammenknüpfe, um es am Ende wie eine richtige Novelle aussehen zu lassen.« (Matias Faldbakken im Interview mit arte KULTUR)

Dass es Faldbakken jedoch zunehmend anstrengt, sich hinzusetzen und zu schreiben (vgl. Faldbakken 2009: 130), merkt man. Der Seitenumfang seiner drei Romane nimmt vom ältesten bis zum neuesten um jeweils rund 100 Seiten ab: 462, 349, 266. Der Ideenreichtum hat unter dieser quantitativen Verkürzung bisher nicht gelitten. SUCHE scheint aber nicht nur auf quantitativer Ebene mit seinem Umfang von 32 Seiten die zunehmende Anstrengung Faldbakkens beim Schreiben zu belegen, sondern ihn auch in qualitativer Hinsicht darin zu bestätigen, dass »ich mich auch bei den Texten immer mehr verweigere und weniger Ideenreichtum akzeptiere.« (ebd.) Man kennt diese längeren Fragmente aus mal mehr und mal weniger einfallsreichen oder witzigen Stichwörtern bereits aus Faldbakkens Romanen. Zu Beginn noch recht unterhaltsam, neigt man allerdings spätestens nach der dritten Liste mit Titeln für Pornos oder Konzepten für das Guerillamarketing dazu, diese nur noch zu überfliegen und rasch weiterzublättern. Für eine Veröffentlichung ist dieses Konzept maximal als PR-Gimmick zur Documenta tragfähig. Maximal – denn die von Hatje Cantz freundlicherweise online zur Verfügung gestellte zwölfseitige Leseprobe – das sind immerhin mehr als ein Drittel des gesamten Heftchens – hat mir völlig gereicht. Fans werden es trotzdem kaufen und vielleicht auch lesen. Für Hatje Cantz rechnet sich das.

Matias Faldbakken: SUCHE. Reihe: Documenta 13: 100 Notizen – 100 Gedanken Nr. 035, Deutsch/Englisch, 2011. 32 Seiten, 2 Abb., 10,50 x 15,00 cm, Broschur. ISBN 978-3-7757-2884-3

Matias Faldbakken (2009): »Was macht die Kunst, Matias Faldbakken?«, in: monopol 4/2009, S. 130.

von senest | permalink