Weblog.

Montag, 07.11.2011, 11:41:14

Perlen der Fernsehunterhaltung

I think before my days are done, I want to be a fisherman

»Angeln entspannt kolossal, ob du was fängst, ist ganz egal«, wussten Truck Stop im Jahr 1979 zu singen. Ob John Lurie diese Zeilen kennt, ist unbekannt, aber nicht undenkbar, wenn man seine sechsteilige Pseudo-Reisedoku Fishing with John (1991) gesehen hat – auch wenn Luries Musik zur Serie in nichts mit dem Verkehrssicherheitscountry (»Die Frau mit dem Gurt«) der Hamburger Asphaltcowboys zu vergleichen ist.

Außerdem fischt Lurie nicht in den trüben Tümpeln Seevetal-Maschens zwischen A1 und A250, sondern scheut weder Strapazen noch Kosten, wenn es darum geht, mit seinen Gästen an die entlegensten Gewässer der Welt zu reisen, um dort exotische Fische zu angeln. Costa Rica, Jamaika und Thailand, aber auch kältere Gefilde wie Montauk und Maine sind die Schauplätze, an denen Lurie mit Jim Jarmusch, Tom Waits, Matt Dillon, Willem Dafoe und Dennis Hopper Haie und Riesenkraken zur Strecke bringen will. Manchmal tun es auch kleinere Exemplare wie Red Snapper – meist jedoch gehen die mutigen Fischer leer aus.

So liegt aufgrund der mangelhaften Angelkünste Luries und seiner Gäste der Schwerpunkt der Serie nicht auf dem Fischen, sondern auf allerlei Belanglosigkeiten, die durch die sonore Off-Stimme Robb Webbs ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt und, einmal dort angelangt, ins Bizarr-Absurde überhöht werden. »These are horses«, sagt Webb – und wer sich jetzt zwei teilnahmslos in der Landschaft herumstehende Pferde vorstellt, liegt richtig. Überhaupt speist sich der verwegen-abwegige Humor der Serie daraus, dass entgegen dem Usus des Reise/Abenteuer-Genres den nichtigsten Dingen der exponierteste Platz in der Inszenierung gewidmet wird. Eine Strategie, mit der auch Helge Schneider ungefähr zur selben Zeit in anderen Genres erfolgreich war. Dazu gehört ebenfalls die gelegentliche Erzeugung von »Spannung« aus Banalitäten, wenn beispielsweise Lurie und Hopper ganz unerwartet einen kleinen Stachelrochen aus einem Fluss in Thailand ziehen und sich Lurie vor lauter Angst, er könnte gestochen werden, fast in die Hosen macht. Immer erscheinen Lurie und seine Gäste im Versagen heldenhaft und sterben bisweilen den Tod einsamer Pioniere im Eis von Maine, wo Lurie und Dafoe in der vierten Folge nach fast zwei Wochen vergebenem Eisfischens – die Cracker waren ihnen auch ausgegangen – verhungern. Oder etwa doch nicht? Denn zu Beginn der fünften Folge wartet Lurie quicklebendig am Flughafen von Bangkok auf Dennis Hopper und auch Webb muss sich korrigieren: »I made a mistake! John is still alive.«

Es sind nicht nur diese erzählerischen Absurditäten, die aus der Serie einen kontemplativ-humorigen Kontrapunkt zu den Produktionen der großen Fernsehnetzwerke machen, da Lurie es sich nicht hat nehmen lassen, auch die Musik zu schreiben. So untermalt augenzwinkernder Fake Jazz, wie ihn die Lounge Lizards seit 1978 kultivieren, das Geschehen, oder verleihen komplexe Chorarrangements dem Tanz, den Lurie und Dillon in Costa Rica aufführen, um die Götter gewogen zu stimmen, eine Extraportion Dramatik, die ohne die Musik gar nicht erst aufgekommen wäre. Bild und Ton werden immer wieder aufs Widersprüchliste miteinander kombiniert, wodurch ein reichhaltiger Bedeutungsüberschuss entsteht, der oft einen guten Grund zum Lachen bietet.

Wer nun neugierig geworden ist, dem wünsche ich viel Erfolg dabei, sich ein DVD-Exemplar der Serie zu angeln, vielleicht gibt es hier noch eins. Wenn nicht, kann man immer noch im Datenozean fischen …

von senest | permalink