Weblog.

Montag, 21.01.2013, 12:00:27

Christine Resch: Schöner Wohnen

Kurzrezension

Der Titel macht neugierig. Pierre Bourdieus Die feinen Unterschiede zu aktualisieren, um das kritische Potential dieser Studie in aktuellen Kontexten zu nutzen, scheint dringend geboten. Damit ließe sich der Vereinnahmung dieser Arbeit durch die neoliberale Propaganda der Lebensstilforschung entgegenwirken. Die Aktualisierung am Exempel von Wohnpraktiken ist insofern interessant, als nicht nur RTL erkannt hat, dass der Einsatz in vier Wänden vor allem eine Möglichkeit sozialer Distinktion durch Konsum ist. Denn mittlerweile sind alle kulturellen Sparten im Sinne einer erweiterten Kulturindustrie waren- und verwaltungsförmig. Christine Reschs Studie könnte also, wie ihre bisherigen Beiträge zur Kritischen Theorie, die Verhältnisse bloßlegen, die sie auseinandernehmen will – sie tut es jedoch nicht.

Ein großes Manko des Buchs ist – neben methodischen Ungenauigkeiten – die Kritik an Bourdieu, die keine Kritik ist, sondern zur überzogenen, undifferenzierten, unnötigen und unproduktiven Polemik gegen Bourdieu ausartet. Das bringt nicht nur die Sache nicht weiter, sondern Resch auch in eine ziemliche Fallhöhe, wenn sie beispielsweise Bourdieu attestiert, er habe nur Selbstverständlichkeiten beschrieben, um dann zu dem Schluss zu kommen, dass wir uns mit unseren Wohnungen selbst darstellen, wobei die Einrichtungsgegenstände ihre Bedeutung erst durch soziale Praktiken erhalten, und nicht von sich aus etwas bedeuten. Resch präsentiert diese jahrzehntealte soziologische Selbstverständlichkeit unter dem Begriff der »Interaktionsästhetik« als neue Erkenntnis. In ähnlicher Weise beläuft sich die geschlechterspezifische Perspektive, die ständig reklamiert wird, darauf, dass Frauen durch die Wohnungsdekoration die Familientradition bewahren, während Männer beim Dekorieren Abenteurertum und Unabhängigkeit pflegen. Dabei bleibt die Dekonstruktion der Kategorien »Frau« und »Mann« aus. Begriffliche Inkonsistenzen, vor allem hinsichtlich des Geschmacks, durchziehen das ganze Buch. So soll Geschmack im Neoliberalismus irrelevant sein, während gleichzeitig »Luxus versus Trash wieder wichtige Unterscheidungen sind« (S.169). Theorie und Empirie klaffen merkwürdig auseinander.

Mit diesem Buch wurde eine Chance vertan. Es hätte eine wichtige Gegenstimme zum überlauten Chor der Marketingforschung werden können, die gezeigt hätte, dass es in diesem Metier kein richtiges Argument im falschen gibt. Doch dazu müssten die kritischen (richtigen) Argumente überzeugender sein.

Christine Resch: Schöner Wohnen. Zur Kritik von Bourdieus »feinen Unterschieden«. Münster: Westfälisches Dampfboot 2012, 185 S.

von senest | permalink