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Sonntag, 04.08.2013, 12:14:09

Olaf Kaltmeier/Sarah Corona Berkin (Hrsg.): Methoden dekolonialisieren

Kurzrezension

Obwohl Pierre Bourdieu bereits gegen Ende der 1990er-Jahre darauf hingewiesen hat, dass epistemologische Konflikte zwangsläufig politische Konflikte sind, scheint diese Erkenntnis gerade in den deutschsprachigen Sozial- und Kulturwissenschaften noch immer nicht im Forschungsmainstream angekommen zu sein. Hier verorten nach wie vor Konzepte wie »Objektivität« oder »Neutralität« die Forscher_innen weit außerhalb ihres Feldes, selbstreflexive Fragen nach dem Erkenntnis- und damit auch Machtinteresse von Forschung werden nur selten gestellt, ein »Wissenskolonialismus«, in welchem einmal mehr der »Westen« eine privilegierte Stellung vor dem »Rest« einnimmt, wird weiter fortgeschrieben. Da Forschung aber durch die Produktion von Wissen Kontrolle über die soziale Welt und damit Macht erlangt, bedarf sie dringend einer kritischen (Selbst-)Reflexion. (mehr …)

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Sonntag, 04.08.2013, 12:10:53

Mirjam Unger: Oh Yeah, She Performs!

Kurzrezension

Als ernüchternd beschreibt Regisseurin Mirjam Unger die Situation während ihrer langjährigen Arbeit beim Radio: Im männlich dominierten Rock/Pop des Mainstreams traten gerade mal Björk oder PJ Harvey auf, abseits davon artikulierten sich die Riot Grrrls zwar energetisch und lautstark, aber nur eine kurze Zeit lang. So viel zur Lage im angloamerikanischen Raum. In Österreich war es noch bitterer … Bis vor rund zehn Jahren auch hier einige junge Frauen die Bühne betraten und (musikalisches) self-empowerment vorlebten, wenn auch nur vor einem kleinen Publikum. So ist es Mirjam Unger u.a. ein Anliegen, mit ihrem Film den Bekanntheitsgrad seiner Protagonistinnen Gustav, Clara Luzia, Teresa Rotschopf und Luise Pop zu erhöhen, indem sie ihn auf Tour schickt, wo er an Schulen sowie auf Musik- und Filmfestivals – wie kürzlich auf der Diagonale – zu sehen ist. (mehr …)

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Sonntag, 04.08.2013, 12:07:58

Familienplanungszentrum BALANCE (Hrsg.): Die neue Radikalität der Abtreibungsgegner_innen im (inter-)nationalen Raum

Kurzrezension

»Endlich gibt es dieses Buch«, so eröffnet Jutta Ditfurth in ihrem Vorwort den vom Familienplanungszentrum BALANCE herausgegebenen Band, der nicht nur die Aktivitäten radikaler Abtreibungsgegner_innen detailliert dokumentiert, sondern auch juristische Auseinandersetzungen mit ihnen beschreibt und Gegenmaßnahmen vorstellt. Hierbei kommen vor allem die Aktivitäten – es lässt sich durchaus auch von Umtrieben sprechen – radikal-fundamentalistischer evangelikaler Christ_innen zur Sprache, die, so wird deutlich, keinesfalls »pro life« sind, sondern das ungeborene Leben im eigenen Machtinteresse instrumentalisieren. Die Relevanz dieses Sammelbandes wird umso deutlicher, als er darlegt, dass wir es hier nicht mit vereinzelten religiös motivierten Radikalen zu tun haben, sondern dass diese eine gut vernetzte lebensfeindliche Politik betreiben, die, wenn auch (noch) nicht in der viel zitierten »Mitte der Gesellschaft«, so doch bereits tief in den Parlamenten angekommen ist. Mit ihrer sich hinter dem Deckmantel des Glaubens tarnenden, aber eigentlich gouvernemental-neoliberalen Strategie, die Reproduktion als Machtdispositiv zu installieren, stoßen die Abtreibungsgegner_innen gerade bei rechts-konservativen Politiker_innen durch alle Fraktionen hindurch auf offene Ohren. Im Vergleich hierzu erscheint die Frauen- und Familienpolitik Kristina Schröders (Danke, emanzipiert sind wir selber!) fast schon liberal-progressiv. (mehr …)

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Montag, 21.01.2013, 12:00:27

Christine Resch: Schöner Wohnen

Kurzrezension

Der Titel macht neugierig. Pierre Bourdieus Die feinen Unterschiede zu aktualisieren, um das kritische Potential dieser Studie in aktuellen Kontexten zu nutzen, scheint dringend geboten. Damit ließe sich der Vereinnahmung dieser Arbeit durch die neoliberale Propaganda der Lebensstilforschung entgegenwirken. Die Aktualisierung am Exempel von Wohnpraktiken ist insofern interessant, als nicht nur RTL erkannt hat, dass der Einsatz in vier Wänden vor allem eine Möglichkeit sozialer Distinktion durch Konsum ist. Denn mittlerweile sind alle kulturellen Sparten im Sinne einer erweiterten Kulturindustrie waren- und verwaltungsförmig. Christine Reschs Studie könnte also, wie ihre bisherigen Beiträge zur Kritischen Theorie, die Verhältnisse bloßlegen, die sie auseinandernehmen will – sie tut es jedoch nicht. (mehr …)

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Donnerstag, 13.12.2012, 11:58:02

Word up!

Sprachliche Preziosen in Miami Vice (II)

Und weiter geht’s! Diesmal mit einer Folge aus der dritten Staffel, die es zur Abwechslung mit politischen, kontroversen Themen versucht. Ein Paradebeispiel hierfür ist »Liebe und Tod« (im Original noch pathetischer: »When Irish Eyes Are Crying«), wo gleich zu Beginn John Lennons Imagine missbraucht wird, um das Pathos zu heben, was glücklicherweise nicht allzu lange gelingt: Denn zur Dekonstruktion benötigt Miami Vice keinen Jacques Derrida, das erledigt die Serie – wie so oft – zuverlässig selbst.

Sean Carroon (vor Publikum): »Die gesamte Presse, die Politiker, alle protestieren sie gegen das Apartheidssystem in Südafrika und die russische Invasion von Afghanistan. Aber ich will Ihnen mal etwas sagen: Das krasseste Beispiel für Kolonialismus in der heutigen Welt ist der Stiefelabsatz der britischen Regierung auf der Gurgel des katholischen Volkes von Nordirland.«
Stan Switek (im Abhörwagen): »Wichtiges Waffengeschäft – so’n Blödsinn. Stattdessen nur dämliches Gequatsche.«

Miami Vice (1986): »Liebe und Tod« (S03E02)

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